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Von lokalen Gemeinschaften zur Weltgemeinschaft.
Nur ein Traum?
Wolfgang Nolte zeichnet in diesem Aufsatz ein nach meiner Ansicht treffendes Bild vom Entwicklungsstand unserer Gesellschaft und der Menschheit als Gesamtes. Zugleich zeigt er Qualitäten und Wege auf, die eine Transformation in neue Formen des globalen Miteinanders ermöglichen.
Hier ein kleiner Auszug:
Der Traum von der planetarischen Gemeinschaft
Es gibt aber auch eine andere, hoffnungsvolle Sichtweise auf die Entwicklung der Menschheit, von einem tieferen Verstehen der Evolution her, das in größeren Zeitabschnitten denkt. Der Priester und Evolutionsforscher Pierre Teilhard de Chardin hat den Prozess, in den die Menschheit seit einiger Zeit eingetreten ist, als »Planetisation« bezeichnet. Was ist darunter zu verstehen? Zunächst einmal sieht er die Entwicklung der Menschheit wesentlich als einen Prozess zunehmender Gemeinschaftsbildung. Er ist besonders an der Entwicklung der inneren Bindekräfte zwischen den Menschen interessiert und nicht so sehr an den äußeren Formen des Zusammenlebens. Deswegen kommt er zu einer ganz anderen Perspektive als die meisten Historiker und Soziologen.
De Chardin verwendet ein sehr anschauliches Bild, um die Entwicklungsphasen der Menschheit deutlich zu machen. Er vergleicht sie mit Wellenbewegungen, die an der Oberfläche eines imaginären Globus vom Südpol zum Nordpol fließen. Der Südpol repräsentiert den Ausgangspunkt der Menschheitsentwicklung, der Nordpol den Zielpunkt.
Die erste Phase ist die der Gemeinschaftsbildung im Stadium der Expansion. Es ist eine divergierende Bewegung; die Menschheit breitet sich über die Erde aus und nimmt äußerlich von ihr Besitz. Immer weitere Ausdifferenzierung findet statt: Unterschiedliche Kulturen entstehen, und innerhalb der Kulturen entwickeln sich Individuen.
Wenn der Äquator in diesem Bild überschritten wird, kann sich die Menschheit nicht mehr äußerlich ausbreiten, die Gemeinschaftsbildung setzt sich fort als Zusammenfassung. Das Wachstum geht nicht mehr in die Weite der Welt, sondern in die Tiefe ihres Zusammenhangs.
Die Menschheit hat jetzt die Chance und die Aufgabe, ein höheres Bewusstsein von ihrer Verbundenheit zu entwickeln und zum Auge und Steuerungsorgan der Schöpfung zu werden.
Und wo stehen wir heute? Um im Bild zu bleiben:
Wir sind nach Teilhard de Chardin seit etwa 100 Jahren dabei, den Äquator zu überschreiten. Der Wechsel der Hemisphären ist ein äußerst kritischer Kurvenabschnitt, die Bewegungsrichtung ändert sich von der Divergenz zur Konvergenz, und die des Denkens müsste ihr folgen – nicht mehr nach außen, sondern nach innen, von der Konfrontation zur Kooperation.
Aber noch ist es so, dass wir mit der Haltung der Expansion, die aus den vergangenen zwei Millionen Jahren stammt, in diese neue Phase gehen, die aber eine Haltung des Zusammengehens, der Einordnung in das Ganze voraussetzt.
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Wolfram Nolte (71), Soziologe und freier Journalist, setzte sich viele Jahre lang für das Projekt »eurotopia« ein. Seit 2014 – mit der Diagnose »Krebs im fortgeschrittenen Stadium« konfrontiert – baut er ein gemeinschaftlich getragenes Natur-Hospiz am Bodensee auf.